Komplexität, Geschwindigkeit und psychische Belastung im Beruf haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dem steht nicht
entgegen, dass der Job für viele Menschen zum Prestige- und Identifikationsfaktor ersten Rangs geworden ist, dem sie vieles - bisweilen auch alles - unterordnen.
Der gewachsene Wettbewerb macht sich in Unternehmen und Organisationen durch eine subjektiv empfundene, höhere Unsicherheit bemerkbar sowie durch Stressreaktionen und Arbeitsausfälle wegen Krankheit. Wer im Job vorankommen will, muss alles geben – so die weitverbreitete Haltung.
Die schöne neue Arbeitswelt ist gekennzeichnet vom Leistungswillen erfolgsorientierter Menschen. Die gezielte Nutzung der eigenen Potentiale ist sofern auch ein häufiges Thema in zahlreichen Karriere-Coachings. Hier wird vermittelt, wie sich Mann und Frau im Job besser verkaufen und positionieren, wie sie sich auf neue Herausforderungen vorbereiten und ihre Führungskompetenz stärken können. Dass "Erfolg" meist nur "mehr Geld" heißt, steht indes nie zur Diskussion.
Doch woher kommt eigentlich die Energie für den täglichen Arbeitskampf im Dienst des Aufstiegs? Was den Charakter der Dringlichkeit betrifft, lässt sich dieser durchaus gut mit dem Sexualtrieb in Verbindung bringen. So lässt sich Arbeit als Sublimationseffekt eines Triebgeschehens auffassen, dessen Ressourcen sich scheinbar nie erschöpfen und das dennoch an kein abschließendes Ende gelangen kann. Das "Arbeitstier" Mensch verhält sich in diesem Sinne wie eine Maschine, die ihre Arbeitsabläufe unablässig von neuem ausführt. Wie viel bleibt da noch von der Vorstellung, in der individuellen Arbeitsleistung auch persönliche Befriedigung zu finden?
Abseits der Erfahrung der Unplanbarkeit beruflicher Werdegänge ist es interessant, wohin der individuelle Berufsweg des Einzelnen alternativ zu den ursprünglichen Plänen geführt hat. In Analogie zu Freuds Begriff vom Triebschicksal lässt sich hierbei von Arbeitsschicksalen sprechen. Triebschicksale und Arbeitsschicksale zeichnet jeweils aus, dass sie Ergebnisse von sublimatorischen Prozessen sind, die sich nicht ohne weiteres einem Prozess des Wollens und Planens unterwerfen lassen.
Die bürgerliche Vorstellung von Karriere und Aufstieg macht demgegenüber glauben, dass sublimatorische Anstrengungen des Ich – insbesondere Verzicht und Leistungsbereitschaft – in jedem Fall zum persönlichen Erfolg führen. Das stimmt jedoch nur zum Teil. Wo beispielsweise der Kluge nachgibt, gewinnt schon wieder der Dummdreiste. Erfolgreiche Menschen verdanken ihre Position daher ihrer spezifischen Art zu sublimieren; der Schicksalsweg ihrer Sublimationsleistungen kann indes auch vom Erfolg wegführen. MSG
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