Die Irritation über Freuds Annahme, dass der Traum ein Denken sei, hat besonders mit der Entdeckung des Wunschparadigmas zu tun. Diese Vorherrschaft einer Wunschlogik wirft alles, was wir über das menschliche Denkvermögen zu wissen glaubten, über den Haufen. Wie kann man sich zum Beispiel etwas wünschen wollen, das im Traum als peinlich wahrgenommen wird? Was hat dies zudem mit Denken zu tun? Doch Freud insitiert: „Wir stehen in der Klahrheit einer plötzlichen Erkenntnis. [...] [Der Traum] ist ein vollgültiges psychisches Phänomen, und zwar eine Wunscherfüllung; er ist einzureihen in den Zusammenhang, der uns verständlichen seelischen Aktionen des Wachens; eine hoch komplizierte geistige Tätigkeit hat ihn aufgebaut“ (Freud 1900a, S. 127. Kursiv. MSG).
Die Logik der Wunscherfüllung sorgt deshalb für Komplikationen, weil die Wünsche der Menschheit nicht immer nur vorbildlich sind. Überdies sind dem Subjekt seine tiefsten und innigsten Wünsche wohl gar nicht bewusst. Dies wird auch anhand des von Lacan eingebrachte Ausdrucks des Begehrens (le désir) deutlich, der im Unterschied zum Wunsch ohne konkretes Objekt auskommt. Was mit dem Begehren in den Blick rückt, ist die Umstand, dass der Wunsch einem individuellen Muster folgt. Und dass die Logik dieses Wunschmusters ein abschließendes befriedigendes Erleben gar nicht vorsieht - es sei denn man zählte den Tod dazu.
Die psychoanalytischen Arbeit interessiert sich für dieses Begehrensmuster und versucht, eine Sprache für seine Funktionslogik zu finden. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Funktionslogik mit all ihren Widersprüchen und Eigensinnigkeiten einer individuellen Form des Denkens entspricht, die das sogenannte Vernunftdenken hinter sich lässt. In dieser Herangehensweise erweist sich die Psychoanalyse als ein höchst eigensinniger Zugang zum Wissen und Handeln des Menschen.
Das Paradigma des Wunschdenkens, das Freud am Traum herausstellte, bleibt nicht auf das bewusste Denken bezogen. Welcher Wunsch Vater des Gedankens ist, zeigt sich dem Einzelnen oftmals erst im Nachhinein - nachträglich – und oftmals auch nie. Hieran wird erkennbar, dass der Mensch an mehreren Plätzen zugleich denkt - primär- und sekundärprozesshaft, wie es bei Freud heißt. So verwundert es auch nicht, dass einander widerstreitende Wunschregungen unser Dasein bestimmen. Was wir wann bewusst denken, scheint von einem anderen Ort aus beschieden zu werden.
„[D]as Bewußtwerden ist für uns ein besonderer psychischer Akt“, erklärt Freud im Abschnitt über die Traumzensur des vierten Kapitels der Traumdeutung, „verschieden und unabhängig von dem Vorgang des Gesetzt- oder Vorgestelltwerdens, und das Bewußtsein erscheint uns als ein Sinnesorgan, welches einen anderwärts gegebenen Inhalt wahrnimmt“ (ebd, S. 149f.).
Auf diesen „anderwärts gegebenen Inhalt“ hat es das Interesse der Psychoanalyse abgesehen. Sie nimmt die Welt als einen Austausch von Symbolen wahr, bei dem es zu Reibungen kommt, zwischen denen sich ein anderer Sinn auftut, welcher unserer Wahrnehmung ansonsten verborgen bleibt. So spricht Freud beim lapsushaften Versprecher auch von einem „Mittel des Selbstverrats“ (Freud 1901b, S. 96) und ergänzt, dass die Störung der Rede den inneren Konflikt verrate. (Ebd., S. 112) Häufig bilde dabei der Doppelsinn eines Wortes die Assoziationsbrücke zwischen zwei Gedankengängen.
Jene Ordnung, die Freud in die Anarchie des Traums eingeführt hat, ist mithin kein Sieg des rationalen Denkens über die unbewusste Dynamik des Seelenlebens. Das Unbewusste ist vielmehr das Gegenteil eines positiv verstandenen Wissenkönnens. So setzt das Holpern und Stolpern beim Sprechen Zeichen für unbewusste Gedanken, die sich niemals ganz in die Ratio hineinholen lassen. In diesem Sinne geht es bei der psychoanalytischen Arbeit in Forschung und Beratung nicht so sehr darum, Antworten zu geben, sondern die Fragestellung zu verfeinern. MSG
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Martin Weimer (Sonntag, 02 August 2015 10:28)
Wieso folgt der Wunsch einem individuellen Muster? Das Begehren ist doch primär das Begehren des Anderen, so dass wir in unserem individuellen Begehren immer auch Gesellschaft imaginieren.Oder?
Monnie Schrom (Donnerstag, 02 Februar 2017 09:29)
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