Ein sicheres Wissen über etwas zu haben, scheint im Grunde unmöglich. Umso mehr gilt dies bei dem, was ein Individuum über sich selbst weiß. Reicht hierzu angestrengtes Nachdenken im stillen
Kämmerchen aus? Schon Kleist riet: "Wenn du etwas wissen willst, so rate ich dir, mein lieber sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten darüber zu sprechen."
Je entfernter die Beziehung, so will uns Kleist sagen, desto besser die Chance auf Wissenserwerb.
Ab wann erhält etwas überhaupt den Status von Wissen? Muss Wissen in allen Einzelheiten nachprüfbar sein, damit wir es als solches akzeptieren? Kann man beispielsweise „wissen“, ob man an Gott glaubt oder wie das Wetter wird? Und wie steht es mit einem alltäglichen Verständnis von Wissen im Sinne von „Kenntnis von etwas haben“? Reicht „Kenntnis“ aus, um als Wissen zu gelten? Gibt es also höher- bzw. minderwertiges Wissen? Kann ich etwa beim Erlernen einer Fremdsprache auf Ausdrücke wie etwa jenen für das Wort für „Tomatensaft“ verzichten und trotzdem behaupten, etwa Spanisch zu sprechen?
Von Tomatensaft kann man mit Sicherheit sagen, dass er rot ist. Letztlich ist dies jedoch die Zuschreibung einer Sprachgemeinschaft, welche die Farbe von Tomaten genauso wie von Erdbeeren oder Blut immer eben als rot festlegt. Gewiss eine sinnvolle Praxis im Sinne eines verständlichen Sprachverkehrs. Allerdings setzt dies die Kenntnis von Begriffsfestlegungen voraus: Nur mit der passenden Definition eines Begriffs kann man Objekte unzweideutig adressieren.
Wie steht es dann um innere Objekte, die in Gefühlen und Phantasien bedeutsam sind? Sind sie nur die psychischen Repräsentationen äußerer Objekte, auf die wir reagieren? Und wie verhält es sich, wenn innere Objekte auf eine weit zurückliegende Erinnerung zurückgehen, wenn sich beispielsweise ein Glas mit Tomatensaft als eine Erinnerung aus der Kindheit entpuppt? Was wäre dann, wenn es in der Kindheit den Tomatensaft als faktische Realität gar niemals wirklich gegeben hätte, während die vermeintliche Erinnerung an ihn eine ganz andere Tatsache überdecken soll - etwa ein furchtbar peinliches Erlebnis? Sagt man nicht: „Jemand ist rot angelaufen wie eine Tomate?“
Mag man immer noch den Erkenntniswert des Wissens von sich selbst bestreiten, wenn sich schließlich herausstellt, dass die Abneigung gegen das spanische Wort für „Tomatensaft“ mit einer unangenehmen Erinnerung verknüpft ist? Anscheinend kann es vorkommen, dass die verbindenden Fäden zwischen den inneren Objekten und den ihnen zugehörigen Objekten in der Außenwelt reißen. Die losen Enden solcher gerissenen Fäden aufzufinden und immer wieder neu zusammenzufügen, macht verständlich, was mit dem Stichwort vom psychoanalytischen Weg zum Selbstwissen gemeint sein kann.
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